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HALBSCHATTEN UND HALBSCHATTENFINSTERNISSE

THEORETISCHE ÜBERLEGUNGEN

Die Zeitfenster (Finsternis-Saison), in denen zweimal im Jahr Finsternisse stattfinden können, sind etwa 33 Tage lang. Da zwischen Neu- und Vollmond nur rund 15 Tage vergehen, ist es zwangsläufig, dass Sonnen- und Mondfinsternisse immer paarweise auftreten. Es ist sogar möglich, dass 3 Finsternisse (2 SoFis und 1 MoFi oder 2 MoFis und 1 SoFi) in diesen Zeitraum fallen. Dies wird z.B. wieder im Juni / Juli 2020 der Fall sein. Eine Faustregel besagt, dass eine totale oder ringförmige Sonnenfinsternis, die in Äquatornähe zu sehen ist, von einer eher bescheidenen Mondfinsternis begleitet wird; dies kann eine Partielle Mofi sein, wie z.B. im September 2006 oder aber eine Halbschattenfinsternis, bei welcher der Mond den Kernschatten der Erde verfehlt. Letzteres geschah bei der Mondfinsternis, die in Europa in der Nacht vom 14. auf den 15.03.2006 zu sehen war. Allerdings hatten wir es hier mit einem Sonderfall zu tun: der Mond verfehlte zwar den Kernschatten der Erde um gut 1 Bogenminute, trat aber gleichwohl mit seinem kompletten Durchmesser in den Halbschatten ein. Man spricht deshalb in so einem Fall auch - sprachlich nicht ganz glücklich - von einer "Totalen Halbschattenfinsternis". Im ganzen 3. Jahrtausend kommt es laut den Tabellen der NASA lediglich zu 37 solcher Ereignisse - also durchschnittlich alle 27 Jahre.
Die extreme Seltenheit von vollständigen Halbschattenfinsternissen hat etwas mit der Geometrie des Erdschattens und der Mondbahn zu tun. Letztere ist ja keineswegs kreisrund, sondern deutlich elliptisch. Deshalb schwankt die Entfernung des Mondes von der Erde während eines Umlaufs ziemlich deutlich. Mit zunehmender Entfernung von der Erde nimmt der absolute Durchmesser des Kernschattens der Erde ab, derjenige des Halbschattens aber zu, wie nachstehende Skizze (nicht maßstabsgetreu) zeigt:

Erdschatten Halbschattenfinsternis am 14./15.03.2006
Links: Kern- und Halbschatten der Erde; Rechts: Halbschattenfinsternis am 14./15.03.2006, aufgenommen 8 Minuten nach dem Maximum.

Nur wenn der Mond sich in Erdferne befindet, passt er mit seinem kompletten Durchmesser in den Halbschatten, ohne dabei in den Kernschatten einzudringen. Dies war am 14./15.03.2006 der Fall. Die umgekehrte Situation hatten wir am 16.05.2003: der eine Mondrand befand sich bereits im Kernschatten, während der andere noch nicht einmal den Halbschatten erreicht hatte (Grafik). An jenem Tag stand der Mond in Erdnähe.

Nun gelten Halbschattenfinsternisse im Allgemeinen als unauffällige Ereignisse. Selbst wenn der Mond zu 90% seines Durchmessers im Erdschatten steht (die Größe oder Magnitude der Finsternis ist dann 0.9), ist mit bloßem Auge oder einem Fernglas lediglich ein leichter Grauschleier auf der Seite des Mondes zu bemerken, die am tiefsten im Halbschatten steht ("Grauer Mond"); dem Vollmond mangelt es etwas an seiner gewohnten Brillanz. Auf Fotografien, insbesondere auf digitalen Aufnahmen, wird die schwache Abschattung dagegen meist sehr deutlich sichtbar.
Als Faustregel gilt, dass eine Halbschattenfinsternis überhaupt nur dann zu bemerken ist, wenn der Mond mindestens mit 2/3 seines Durchmessers (entspricht etwa der Hälfte seiner Fläche) in den Halbschatten der Erde eindringt. Mehrere Beobachter, wie z.B. Vollmann haben das nach der totalen MoFi vom 09.11.2003, die unter optimalen Bedingungen zu beobachten war, bestätigen können. Andererseits war die 90%ige Halbschattenfinsternis am 20.11.2002 bei ähnlich guten Verhältnissen kaum zu bemerken, wie wir selber damals feststellen mussten. Es wird zumeist übersehen, dass für die Ausprägung einer Halbschattenfinsternis nicht nur deren Größe eine Rolle spielt. Wichtig ist vielmehr auch, wie nah der Mond dabei dem Kernschatten kommt. Dieser Parameter wird in den Grafiken der NASA (Beispiel) als negative "Umbral Magnitude" angegeben. Je mehr sich letztere von 0 unterscheidet, umso ferner bleibt der Mond dem Kernschatten. In der Nacht vom 14. auf den 15.03.2006 drang der Mond komplett in den Halbschatten der Erde ein. Für einen etwaigen Mondbewohner bedeutete dies nichts anderes, als dass von der gesamten der Erde zugewandten Hälfte des Mondes aus eine Partielle Sonnenfinsternis zu sehen war. In den Gebieten des Mondes, die dem Kernschatten am nächsten kamen, war die teilweise Bedeckung der Sonne am größten - nicht anders wie bei einer Partiellen SoFi auf der Erde. Und von "unseren" Partiellen SoFis wissen wir, dass eine deutliche Lichtabschwächung nur dann zu verzeichnen ist, wenn die Sonne fast ganz verdeckt ist. Geschieht solch eine starke Reduzierung des Sonnenlichtes auf dem Mond, so beobachten wir den charakteristischen Grauschleier einer Halbschattenfinsternis. Bleibt der Mond weiter vom Kernschatten entfernt, ist auch die maximale Größe der Partiellen SoFi auf dem Mond geringer und der Grauschleier fällt schwächer aus. Es kann also durchaus passieren, das eine Halbschattenfinsternis der Magnitude 0.8 besser zu beobachten ist als eine der Magnitude 0.9.

BEOBACHTUNGSERGEBNISSE

Das Wetter war in der Nacht vom 14. auf den 15.03.2006 in großen Teilen Mitteleuropas ganz passabel, so dass die Halbschatten-Mondfinsternis vielfach beobachtet werden konnte. Alle Beobachter berichten übereinstimmend, dass die Abschattung des Mondes zur Finsternismitte problemlos und sehr deutlich wahrgenommen werden konnte. Aufgrund unserer eigenen Beobachtungen lässt sich festhalten: erstmals wahrnehmbar ist der Halbschatten auf den Digitalfotos um 23.20 Uhr MEZ, letztmals um 02.17 Uhr MEZ. Simulationen mit dem Programm WinEclipse zeigen, dass der Mond zu diesen Zeitpunkten bereits bzw. noch mit etwa 60% seines Durchmessers (entspricht etwa 50% seiner Fläche) im Halbschatten der Erde stand und dass die Entfernung des Mondes zum Kernschatten jeweils einen halben Monddurchmesser betrug. Die Abschattung war auf Digitalfotos zwar deutlicher zu sehen als mit bloßem Auge oder mit dem Fernglas, aber interessanterweise nicht länger. Andere Beobachter kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Auch bei der oben bereits erwähnten Totalen MoFi am 09.11.2003 war der Halbschatten dann wahrnehmbar, als der Mond schon bzw. noch mit der Hälfte seiner Fläche (entspricht 60% seines Durchmessers bzw. Magnitude 0.6) im Halbschatten stand (Unser Bericht). Diese Erfahrungen wurden bei der Halbschattenfinsternis am 06.08.2009 (Magnitude 0.42) noch einmal bestätigt. Bei erneut guten Wetterbedingungen konnten auch erfahrene Beobachter den Halbschatten visuell, d.h. mit bloßem Auge, Fernglas oder Teleskop, nicht erfassen.

Nachweis des Halbschatens bei geringer Magnitude
Nachweis des Halbschattens durch umfangreiche Bildbearbeitung bei der MoFi vom 06.08.2009 (mehr dazu).

Angeregt durch einen Beitrag von Sky & Telescope sowie Diskussionen in Mailinglisten und Astroforen gelang bei der visuell nicht beobachtbaren MoFi vom 06.08.2009 zahlreichen Amateurastronomen der fotografische Nachweis des Halbschattens. Dabei kamen im Wesentlichen zwei Auswertungsverfahren zum Einsatz, die beide darauf beruhen, dass vor (oder nach) der Finsternis angefertigte Fotos mit solchen verglichen werden, die gegen Finsternismitte aufgenommen wurden. Im einfachen Fall werden die Fotos in Form einer Animation gegenübergestellt, wodurch die leichte Abschattung recht deutlich hervortreten kann. Etwas aufwendiger ist die Überlagerung der Fotos mit einem Grafikprogramm. Durch Differenzbildung oder Abgleich einzelner Farbkanäle wird der Halbschatten der Erde sichtbar. Diese Methode ist empfindlicher und ermöglicht auch den Nachweis von Halbschattenfinsternissen mit noch deutlich geringerer Magnitude als 0.4 [1]. Details zu den Auswertungsmethoden finden sich in unserem Bericht von der MoFi am 06.08.2009 und den darin enthaltenen weiterführenden Links.
Der Nachweis von Halbschattenfinsternissen mit geringer Magnitude war auch vor der Einführung der digitalen Fotografie durchaus möglich, und zwar durch kontrastreiche Abzüge chemischer Bilder [2]. Bei der Totalen Mondfinsternis am 28.09.2015 gelang - in Anlehnung an [2] - dank optimaler Bedingungen durch Kontrastverstärkung und Gammareduzierung digitaler Fotos der Nachweis des Halbschattens bei einer Magnitude von 0.26. Die gleiche Magnitude konnte bei der Halbschatten-MoFi am 19.10.2013 durch eine Kombination von Kontrast- und Differenzmethode sicher erkannt werden.

[1] Kampschulte, Tobias: MoFi-Extremsport am 24. Juni 2002. VdS-Journal II/2003, 28-29.

[2] Dorst, Friedhelm: Beobachtung der Mond-Halbschattenfinsternis vom 26. August 1980. Sterne und Weltraum 1981/5, 195.