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WIE GENAU LASSEN SICH MONDFINSTERNISSE BERECHNEN?Ereignisse wie Sonnenfinsternisse oder Planetentransits lassen sich heute für einen beliebigen Beobachtungsort auf die Sekunde genau vorausberechnen, und kaum jemand wundert sich darüber noch. Doch überraschenderweise stößt diese Präzision bei Mondfinsternissen auf deutliche Grenzen. So mancher Finsternisbeobachter wird sich wohl schon einmal gewundert haben, dass die totale Phase einer MoFi zum vorausberechneten Zeitpunkt noch nicht zu Ende gegangen war. Wahrscheinlich hat er es dann auf den ungenauen Gang seiner Uhr oder auf eigenes Unvermögen beim Beobachten geschoben. Doch in Wahrheit ist er auf ein verblüffendes Phänomen gestoßen: die Kontaktzeiten einer MoFi lassen sich in der Tat nicht genau vorausberechnen! Beginn der Totalität bei einer Mondfinsternis, aufgenommen als Echtzeit-Film am 28.09.2015 von Somersault Clicks. Im Verlauf des Videos erfolgt der Übergang von der partiellen zur totalen Phase der MoFi. Der genaue Zeitpunkt des vollständigen Eintritts in den Kernschatten der Erde ist bei der Beobachtung schwierig zu bestimmen, da der Rand es Kernschattens der Erde nicht scharf erscheint, sondern durch die Erdatmosphäre diffus wirkt. Schauen Sie den Film an und entscheiden selber, wann das letzte Sonnenlicht auf dem Mond verschwunden ist.
Bereits im Jahr 1702 war Pierre de la Hire aufgefallen, dass die Kontakte beim Eintritt in den Kernschatten früher und beim Austritt später als erwartet erfolgen. Offensichtlich ist der Erdschatten um etwa 2% größer als er es aufgrund der geometrischen Verhältnisse sein dürfte. Die Ursache dafür war schnell gefunden: es ist die Erdatmosphäre, die den Schattendurchmesser erhöht. Heutzutage wird eine Kernschattenvergrößerung von 2% bei den Berechnungen der Kontaktzeiten meistens bereits berücksichtigt. Trotzdem kommt es noch zu Abweichungen zwischen den berechneten und den beobachteten Kontaktzeiten. Die Erdschattenvergrößerung fällt nämlich bei jeder Finsternis etwas unterschiedlich aus. Offensichtlich spielt der Zustand der Erdatmosphäre hier eine Rolle.
Einen kuriosen Fall stellte in dieser Hinsicht die Mondfinsternis vom 04.04.2015 dar.
Ihre Totalitätsdauer war zu lediglich etwa 5 Minuten vorausberechnet worden. Nach der MoFi deuteten Berichte überwiegend darauf hin, dass die Totalität ganz knapp verfehlt worden war. Eine spätere tiefgehende Analyse des brasilianischen Spezialisten Helio C. Vital ergab, dass es sich tatsächlich um eine sehr tiefe Partielle Mondfinsternis gehandelt hatte. Maximum der Mondfinsternis am 04.04.2015, bei der die Totalität entgegen den Vorausberechnungen wahrscheinlich knapp verfehlt wurde.
Aufgenommen von Alfredo Garcia, Jr., veröffentlicht unter CC BY-SA 4.0. Aus dem vorher Gesagten ergibt sich, dass die Kontaktzeiten und damit das Ausmaß der Kernschattenvergrößerung bei einer Mondfinsternis erst im Nachhinein aufgrund von Beobachtungen genau festgelegt werden können. Dazu bestimmt man (mit Hilfe eines Teleskops) sowohl die 4 (bzw. 2 bei einer Partiellen MoFi) Kontaktzeiten des Kernschattens als auch die Schatteneintrittszeiten markanter Mondformationen. Doch selbst dies ist in der Praxis gar nicht so einfach, denn zu allem Überfluss ist der Rand des Kernschattens nicht scharf, sondern diffus - auch das ist ein durch die Erdatmosphäre bedingter Effekt. Man registriert daher für jeden Schatteneintritt drei Zeiten:
t1: der Eintritt ist vermutlich soeben erfolgt
Aus diesen Zeiten erhält man nach folgender Formel die wahrscheinlichste Eintrittszeit: Durch die Registrierung der Eintrittszeiten für mehrere Mondformationen - es gibt dafür ein internationales Standardsystem von 20 Mondkratern - lässt sich die Präzision, mit der die Kernschattenvergrößerung bestimmt wird, deutlich erhöhen. Sorgfältige Analysen der Eintrittszeiten in Verbindung mit CCD-Fotos haben in den letzten Jahrzehnten gezeigt, dass die Abplattung (das Verhältnis von Äquator- zu Poldurchmesser) der Erdatmosphäre offenbar deutlich größer ist als diejenige der Erde selber. Weiterhin ist das Ausmaß der Kernschattenvergrößerung zumindest bei einigen Finsternissen beim Eintritt anders als beim Austritt aus dem Erdschatten. Man führt dies darauf zurück, dass unterschiedliche (geografische) Bereiche der Erdatmosphäre am Schattenwurf beteiligt sind. Aus diesen Erkenntnissen resultiert ein exakteres Modell zur Berechnung der Kontaktzeiten, welches sich Anfang der 2020er-Jahre allmählich durchzusetzen scheint. Wer das alles nicht so wissenschaftlich angehen, sondern eine Mondfinsternis einfach nur genießen möchte, kann dies jedenfalls in der Gewissheit tun, dass es dabei wirklich nicht auf die Minute ankommt.
Ende der Kernschattenphase bei der Mondfinsternis am 27.07.2018. In diesem Video sieht man in Echtzeit den Austritt des Mondes aus dem Kernschatten und den Beginn der die MoFi abschließenden Halbschattenphase. Der genaue Zeitpunkt des Kernschattenaustritts ist in der Praxis gar nicht so einfach zu bestimmen, da der Rand des Kernschattens der Erde nicht scharf erscheint, sondern durch die Erdatmosphäre diffus wirkt. Schauen Sie den Film an und entscheiden selber, wann der Mond nur noch im Halbschatten der Erde steht.
LINKS UND QUELLEN ZUM THEMA:Arbeitskreis Astronomie Handeloh e.V.: Info Mondfinsternis (PDF, 255 kb) David Dickinson: Was This Past Weekend's Lunar Eclipse Really Total? Fred Espenak: Crater Immersion and Emersion Times for the Total Lunar Eclipse of 2004 Oct 28 Fred Espenak: Better Times for May's Total Lunar Eclipse Fred Espenak: Key to Lunar Eclipse Global Maps Philip S. Harrington: Eclipse! Alan MacRobert: The Lunar Eclipse Wasn't Total After All?! Byron W. Soulsby: Lunar Eclipse Crater Timing Programme Byron W. Soulsby: Topocentric Umbra Analysis Byron W. Soulsby: Lunar Analysing 50 Lunar Eclipses (PDF, 761 kb) Helio C. Vital: Umbral Enlargement Factors from Midcrater Timings Helio C. Vital: The almost total lunar eclipse of 2015 April 4 |